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28. August 2007

Wo Berge sich erheben

(Photo P. Trüssel Berena Press)

4. Alphorntreffen in der Schweiz

Frelli Tori Redaktion Ausland

Der Dichter G. J. Alderson hat einmal geschrieben: “Das Alphorn ist eine gekrümmte Röhre aus heimischer, am Hang gewachsener Tanne, mit der der Welt Heimat eingeblasen wird. Hält man das Mundstück ans Ohr und dreht den Trichter gen Boden, so kann man den Herzschlag der Mutter Erde hören.“ Dies habe ihm ein alter Senn auf seinen Wanderungen durch die Schweizer Alpen erzählt.

Es ist Sonntag der 12. August 2007. Nebelschwaden ziehen verhangen am Eiger empor. Ab und zu gewähren sie einen Blick auf die schroffe Wand. Weit oben, hinter den Nebeln “die Weisse Spinne“, das berüchtigte Eisfeld, wo manch einem seine letzte Stunde geschlagen hat. Das vierte grosse Alphorntreffen auf dem Männlichen lockt Leute von nah und fern auf die Bergwiese. 150 Alphorn-Bläserinnen und -Bläser finden sich zum heiteren Spiel vor Ort ein. Das Instrument wird zunehmend auch vom weiblichen Geschlecht entdeckt. Im Halbkreis um 30 Fahnenschwinger geben sich gegen hundert Alphörner ein Stelldichein. Das Fahnenschwingen, eine alte Art der Volksbelustigung, bei der eine Anzahl Leute kurze und mit einem schweren Handgriff versehene Fahnen in verschiedene kunstvolle Schwingungen versetzen, die Fahnen hochwerfen und wieder auffangen, ist in der Schweiz ein Teil der klassischen Volksfeste, des Brauchtums wie Jodeln, Alphornblasen, Ländlermusik, Schwingen etc. Die Touristengruppe aus Sehnah knipst mit Japanern, Südkoreanern und Russen um die Wette. Den Objektiven von nah und fern bieten sich Sujets der Superlative an. Die mächtige Klangwolke, die sich schnell mal im Nebel verfängt, ja da und dort durchschlägt an die Steilwand, umgehend ein Echo zurückwirft, geht nicht nur den Fremden unter die Haut. Manch ein Hiesiger steht gerührt da und beisst sich auf die Lippen. Alphornmusik ist meist langatmig, träge und bar jeglicher Synkopen. Wie quirlig erscheint dagegen das Spiel der putzigen Schwyzerörgeli, einer Miniaturausgabe der Handorgel, im Nachgang. Das Alphorn ist das Instrument der Langsamkeit. Langgezogene ausufernde abgerundete Töne von sich gebend, als wüsste es immer schon was Sache ist. Dagegen ist das kleine Handörgeli eine nervöse Schwatzbase, die immer dazwischen quasselt, wenn der Jodler “Oh Müeti gäll…“, oder sein “Chueli“ in den Stall“ gesungen oder eben gejodelt hat. Was oft befremdet, sind die ernsten Gesichter dieser Schweizer Land- beziehungsweise Bergbevölkerung, insbesondere, wenn sie ihre Folkloren ausüben. Man spürt oft wenig von der viel besungenen Bergfreude. Als mediterraner Geist ist man eher geneigt, diesem Menschenschlage eine unterschwellige Depression nachzusagen. Berge die im Übermass auf dem Gemüt der Einheimischen, namentlich auf dem der Talbewohner lasten, könnten natürlich der Ursprung dieser Gemütsverfassung sein. Heimat ist naturgemäss eine ernste Angelegenheit und man hat oft das Gefühl, dass die, die sie da besingen, auch wenn sie mitten in ihr sind, ihr doch so fern sind. Die Klänge sind so voller Fernweh, dass sich jedes Matrosenlied ein Stück davon abschneiden könnte.

So entsteht denn in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat eben.

Der Didgeridookonflikt

Auf Sehnah gibt es bis heute 5 Alphornvereine mit an die 35 Mitgliedern. Natalia di Prosco vom Sehnaher Tourismus-Verband zieht in Erwägung, das erste Alphorntreffen im Mittelmeer auf Sehnah durchzuführen. Sie stösst damit auf erbitterten Widerstand bei den Didgeridoo Spielern, welche bereits 18 Sektionen mit total 230 Aktivspielern aufweisen können. Di Prosco lässt sich jedoch nicht beirren und hält am Alphorn fest mit den Worten: "Rohr ist nicht gleich Rohr! Für mich ist das Didgeridoo eine Brummelröhre und das Alphorn ein Blasinstrument, welches einen warmen touristenfreundlichen Sound von sich gibt." Diese Aussage habe beinahe den Australischen Botschafter auf den Plan gerufen. Als man ihm jedoch nahe legte, dass die Schweizer mit ihrer Urbevölkerung besser umgehe, als die Australier mit ihren Aborigionals, zog er sich in seine Residenz zurück.

Das Alphorn (Quelle Wikipedia)

Die Technik der Rohrherstellung aus Holz ist uralt, es wurden sogar bis in die jüngste Zeit die Wasserleitungen so oder ähnlich hergestellt. Die Behauptung, dass Hirten früher ihre Hörner vorwiegend als Signalhörner benutzten ist falsch. Die Ortung des Horns wäre in einem mit Bergen umgebenen Gebiet beinahe unmöglich, da der Schall von den Wänden reflexiert werden würde. Der Schall wäre somit mehrfach und von verschiedenen Seiten hörbar (Echo). Heute gibt es einige spezialisierte Instrumentenbauer, die aus geeigneten Holzstämmen ein Alphorn herstellen. Seine seltsame, unten abgebogene Form rührt von der am Hang und somit krumm gewachsenen Fichte her, die geschält und der Länge nach halbiert wird. Das anschliessende Aushöhlen der beiden Hälften auf eine Wanddicke von einem halben Zentimeter ist eine über siebzig Stunden dauernde Handarbeit. Eine anschliessende Umwicklung aus Peddigrohr (früher Rindenblätter, Holzstreifen oder Wurzeln) dient als Wetterschutz und ein hölzernes Kesselmundstück als Erleichterung beim Blasen. Der Preis für ein solches Instrument liegt bei etwa 1000 bis 2500 Euro (Stand: 2003). Das Es-Horn ist 405 cm lang, in der Grundstimmung E beträgt die Länge 389 cm. Das weit verbreitete Fis/Ges-Horn (Schweiz) misst 347 cm, das Horn in F (Deutschland) 366 cm, doch in der üblichen Ausführung kann man diese Hörner heute in zwei oder drei Teile zerlegen. Das bisher größte Alphorn wurde 1994 mit einer Länge von 46 Metern gebaut (Grundton B). (Fa. Stocker, Kriens)

Ein modernes Alphorn wird heute aus Glasfasern oder Carbonfasern gefertigt, ist nicht mehr als ein knappes Kilogramm schwer und kostet ca. 2500 Euro. Klanglich ist solch ein modernes Alphorn den Holzhörnern etwa gleich.Das Alphorn war im 18. Jahrhundert fast schon in Vergessenheit geraten, da die verarmten musizierenden Hirten in den Städten es im 17. Jahrhundert in Verruf gebracht und es als das Bettelhorn verspottet wurde. Doch die Romantik und die Touristen in den Schweizer Alpen (zuerst waren es vor allem die Engländer) brachten im 19. Jahrhundert die Folklore und auch das Alphorn zum Blühen. Heute gilt in der Schweiz das Alphorn und das Schweizer Taschenmesser neben Käse, Schokolade und Edelweiß als das Nationalsymbol. Die ersten Hirtenfeste (Unspunnenfeste) mit Alphorn-Musik fanden 1805 und 1808 statt. Derzeit zählt der Schweizer Jodlerverband allein an die 1800 organisierte Alphornbläser in der Schweiz und in der ganzen Welt zu seinen Mitgliedern - Tendenz steigend.

(Photo P. Trüssel Berena Press)